VISIONS Talk_About_Things Tilla Goldberg Dipl. Des. Industrie/Produktdesign Geschäftsleitung Ippolito Fleitz Group, Stuttgart, Berlin, Shanghai Tilla Goldberg gehört zu den Menschen, die alles gestalten können: solarbetriebene Fähren, Wasserkocher, Messestände, Paläste – und eben auch Möbel. Sie ist seit 2009 bei Ippolito Fleitz Group (IFG) Mit- glied der Geschäftsleitung und entwickelt als Produkt-Designerin, zusammen mit ihrem Team, individuelle, raumbezogene Lösungen, für eine große Bandbreite von Projekten. Tilla Goldberg is a designer for every occasion: solar-operated ferries, electric kettles, exhibition booths, palaces... and also furniture. Since 2009, she has been a CEO of Ippolito Fleitz Group (IFG). As a product designer, she develops indi- vidual, space-related solutions for a wide range of projects together with her team. OBJECT CARPET VISIONS 8 Ippolito Fleitz Group (IFG) ist eines der angesagtesten Designstudios weltweit, mit mehr als 270 nationalen und internationalen Auszeich- nungen. Hier arbeiten Architekten, Innenarchitekten, Produkt-, Textil-, und Kommunikationsdesigner interdisziplinär und leidenschaftlich daran, für Ihre Auftraggeber unverwechselbare Raum-Identitäten zu schaffen. Ob Markenarchitektur, Shopkonzept oder repräsentativer Staatspalast: Im Kern dreht es sich er darum, die jeweilige Unternehmensidentität ganzheitlich erlebbar zu machen. Wir freuen uns, dass unsere Kollektion RUGX in vielen ihrer Projekte Anwendung findet – vor allem wegen der einzigartigen Farbvielfalt. Tilla Goldberg (Director Product Design) hat uns ihr neuestes Möbel-Projekt Aërias für ClassiCon vorgestellt. Ein Stuhl, in dessen Entwicklung viel Herzblut steckt. Wir befinden uns im Herzen des Stuttgarter IFG Headquarters, mitten in der riesigen Materialbibliothek. Eine „Materialwunderkammer“ mit jeder Art von Textilien, Oberflächen, Hölzern, Natursteinen, Metall- strukturen, farbigen Spiegeln, Teppichen – die Inspirationsquelle schlecht- hin. Hier schlagen Designerherzen höher. Vor uns steht der Stuhl Aërias in prägnanter, klassischer schwarzer Ausführung, mit seinem übergroßen Flechtmuster in Leder. Tilla Goldberg, wie kommt es, dass IFG mit der Gestaltung eines Stuhles beauftragt wird und wie sah das Briefing aus? :: Generell: Wir sehen uns als multidisziplinäres Designstudio, das alles gestalten kann. Wir denken nicht in Disziplinen, sondern in Lösungen. 2014 habe ich für ClassiCon den Pegasus Home Desk entworfen und ClassiCon fragte an, ob ich Lust hätte einen passenden Stuhl dazu zu entwickeln, der neue, eigene Impulse in die sehr feine, sehr persönliche Kollektion bringen sollte. Das war die Aufgabe, nicht mehr und nicht weniger – Carte Blanche! Wunderbar! Wenn wir Räume gestalten arbeiten wir sehr oft mit den Mitteln der Collage: bewusst platzierte Material- und Farbkontraste oder -harmo- nien, ruhige Atmosphären unterbrochen von aufmerksamkeitsstarken Elementen. Eine der ersten und stärksten Ideen zum Aërias war daher, ein Sitzmöbel zu schaffen, das eine starke grafische Ebene in den Raum bringt. Eine transparente, textile Struktur, die sich wie ein Layer über die anderen Möbel legt. Die Idee als Material Leder einzusetzen lag auf der Hand, da der Pegasus Home Desk zum Teil auch aus Leder ist. Selbstverständlich sollte der Stuhl bequem sein, ergonomisch perfekt! Was war der zündende Funke für Dein Aërias-Projekt? :: Es ist einfach super ins Materialarchiv zu spazieren, sich die Material- auswahl von Kollegen – für ganz andere Projekte – anzuschauen und dabei etwas zu entdecken, das das eigene, aktuelle Projekt inspiriert. So arbeiten wir immer. Eins inspiriert das andere. Die Assoziationen springen hin und her, und dann liegt tatsächlich zufällig ein Stück Wiener Geflecht da. Das Ausgangsmaterial, mit dem wir dann experimentiert haben: eingefärbt, auf den Kopierer gelegt – bis wir bei der vergrößerten Struktur waren. In diesem Moment gibt es wirklich diese Schmetterlinge im Bauch, und man findet sich in der Werkstatt beim Lederstreifen schneiden und flechten wieder! Deine Leidenschaft steckt offensichtlich darin, Materialien neu zu interpretieren und in einem bis jetzt noch nicht da ge- wesenen Kontext gestalterisch einzusetzen. Wie meisterst Du die Umsetzung solch eines "Materialwandels"– und ganz konkret die Idee, mit Lederbändern ein Wiener Geflecht in dieser Größe zu erstellen? :: Es war schnell klar, dass wir nicht in großen industriellen Stückzahlen denken durften, also eher handwerkliche Lösungen gefragt waren. Das haben wir begeistert aufgenommen und zum obersten Prinzip gemacht. Konkret arbeiteten wir mit einem deutschen Formholz-Hersteller, Metall- bauer, einem Leder-Betrieb hier aus der Region und einem der wenigen verbliebenen deutschen Flechthandwerker zusammen. Alle haben sich auf das Experiment eingelassen und begeistert Seite an Seite die besten Lösungen ausgetüftelt. Es gibt selten Projekte, an denen man in jeder handwerklichen Lösung so bis ans Äußerste geht und dabei etwas herauskommt, das wirklich einzigartig, besonders und so hochwertig ist. Es hat echt Spaß gemacht im Team – mit diesen Herzblut-Handwerkern an den kniffeligsten Details zu tüfteln. Die Formholzbauer waren gefor- dert mehr und mehr Holz abzutragen, damit der Rahmen filigraner wird. Der Lederhersteller hat ein Band mit textilem Kern entwickelt, welches besonders formstabil ausgeführt wurde und der Flechter hat eine neue Technik entwickelt, um die Lederbänder perfekt zu fixieren. Und jetzt ist der Aërias Stuhl – und Lounge Chair serienfertig! Auf der imm cologne 2019 wurde die zweifarbige Version präsentiert, und für Mailand entwickeln wir gerade eine farbige Version. Was war für Dich an dem Aërias Projekt besonders? Was nimmst Du für zukünftige Projekte mit? :: Für Aërias haben wir uns intensiv mit fast vergessenen traditionellen handwerklichen Techniken befasst. Wenn es zukünftige Projekte er- lauben, möchte ich gerne noch stärker mit deutschen, klassischen Hand- werkern zusammen arbeiten. Und sie dadurch vielleicht auch unter- stützen, damit dieses fundamentale Wissen um originäre Handwerks- kunst erhalten bleibt. Das finde ich wichtig. Zum Beispiel ist das deutsche Flechthandwerk seit 2016 immaterielles UNESCO-Weltkultur- erbe. Welch ein Glück! Ippolito Fleitz Group (IFG) is one of the trendiest design studios world- wide and was awarded with more than 270 national and international prizes. With fervent passion, its architects and designers of interiors, products, textiles and media unite forces to create distinctive spatial solutions for their clients. Whether brand architecture, shop concepts or a representative state palace: the essential thing is always to create a corporate identity as a holistic experience. We are pleased that our collection RUGX is used in many of their projects – primarily because of the unique variety of colours. Tilla Goldberg (Director of Product Design) showed us her latest furniture project ‘Aërias’ for ClassiCon. A chair, which has received a lot of commitment to its development. We are standing in the heart of the IFG’s headquarters in Stuttgart, in the middle of the huge material library. A ‘chamber of wonders’ with all kinds of textiles, surfaces, wood species, natural stones, metal structures, coloured mirrors, and carpets – the source of inspiration par excellence. Here, a designer’s heart beats faster. In front of us there is the chair Aërias in its concise, classic black version, with oversized braided leather pattern. Tilla, how has it happened that IFG got an order to design a chair, and what was the briefing? :: Basically, we see ourselves as a multi-disciplinary design studio, one which can make everything. We do not think by disciplines, but by solu- tions. In the year 2014, I designed the Pegasus home desk for ClassiCon, then ClassiCon asked me whether I would like to design a suitable chair to add fresh energy into the very fine and very personal collection. That was the assignment, no more and no less – a Carte Blanche! Wonderful! When we design interiors, we work very often with the means of the collage: deliberately contrasting or matching materials and colours, or developing a quiet atmosphere interrupted by eye-catching elements. Therefore, one of the first and strongest ideas on my way to Aërias was to create a kind of seating furniture which would add a strong graphic level to the room – a transparent, textile structure that covers other furniture as a layer. The idea to use leather was obvious, since the Pegasus table is partly made of leather. Of course, the chair should also be com- fortable and ergonomically perfect! What was the vital spark for your Aërias project? :: It is just great to walk into the archive of materials, to look at the mate- rial selections from your peers on their work and to discover something inspiring for your own, current project. So we always work. One inspires the other. Associations jumping back and forth, and then, accidentally, you see a piece of Viennese braid. This was the starting material with which then experimented: at first, coloured and put into the copying machine – until we found the enlarged structure. In this moment, you really get butterflies in your stomach, and you sit in the workshop cut- ting and braiding leather strips! Your passion is obviously to reinterpret materials and to use them in designs in unprecedented contexts. How do you manage to implement such a ‘material change’ and – more specifically – to make a Viennese braid pattern of this large size? :: It was soon clear that we would not think in large industrial quantities, but rather offer handcrafted solutions. We have enthusiastically accepted this principle and follow it to the highest degree. In concrete terms, we worked with a German wood manufacturer, a metal worker, a leather factory from our region and with German braiding craftsmen. There are only few professionals in this trade remaining. All of them instantly engaged with this experiment and worked out the best solutions side by side. There are rarely projects in which you have to go to the utmost limit in each handcraft solution to get a good result – something really unique, special and with added value. We had a lot of fun working as part of this team – with these committed craftsmen – and tinkering with the trickiest small details. The woodworkers had to remove more and more wood to make the frame more filigree. The leather manufacturer developed a strap with a textile core, which has a particular dimensional stability. The weaver developed a new technology to perfectly fix the leather straps. And now we have the Aërias chair and a lounge chair series! At imm cologne 2019, a two-colour version was presented and for Milan we are designing a coloured version. What was the most special part of working on the Aërias project? What experience will you take along for future projects with? :: For Aërias, we intensively dealt with traditional handcrafts which have mostly faded into obscurity. If future projects allow for this, I would like to work more intensively and closely with classic German craftsmen. In this way, I can contribute to maintaining the authentic knowledge of original craftsmanship and let it be preserved. I think that is important. For example, the German braiding craft has been intangible UNESCO world cultural heritage since 2016. What luck!